Koker-Medaille für das Jahr 2010

 

Der Vorstand des Vereins Deutscher Kokereifachleute e.V. und die Jury zur Verleihung der Koker-Medaille haben einstimmig beschlossen,

 

Herrn Dipl.-Ing. Hans-Hermann Müller

 

mit der Koker-Medaille 2010

 

auszuzeichnen.

 

Herr Müller ist am 18. September 1931 in Oldenburg in Oldenburg geboren. Nach dem Abitur im Jahre 1951 am Humanistischen Gymnasium in Oldenburg machte er vor Beginn des Studiums der Eisenhüttenkunde ein halbjähriges Praktikum auf der Henrichshütte in Hattingen. Vom Wintersemester 1951/52 an studierte er an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen Eisenhüttenwesen und machte darin auch sein Vorexamen. Zu dieser Zeit wurde an der Fakultät für Bergbau und Hüttenwesen von Professor Schuster, Leiter des Gas-Wärme-Instituts in Langenberg, später in Essen-Steele, eine neue Fachrichtung gegründet: Industrielle Brennstofftechnik. Herr Müller nutzte die Möglichkeit, in die neue Fachrichtung zu wechseln, und studierte fortan Industrielle Brennstofftechnik. Im Jahre 1956 machte Herr Müller sein Examen. Das Thema seiner Diplom-Arbeit lautete: „Der Einfluss des Mischungsverhältnisses von Vergasungsdampf zu Vergasungsluft bei der Generatorgaserzeugung auf die Gasbeschaffenheit“ und beinhaltete die Inbetriebnahme eines von der Firma Pintsch-Bamag im verkleinerten Maßstab gebauten Gasgenerators am Gas-Wärme-Institut in Essen-Steele.

Gleich nach dem Examen bewarb er sich bei der Kokereibaufirma Didier-Kogag-Hinselmann (DKH) in Essen. Nach positivem Bescheid trat er im Jahre 1956 in die Betriebsabteilung ein.

Nach kurzer Einarbeitungszeit übernahm er bereits, zunächst unter Anleitung, dann bald auch selbständig, Aufgaben auf verschiedenen Anlagen im Ruhrgebiet, als erste eine Beheizungseinstellung auf der Kokerei Helene in Essen-Altenessen und dann auf der Kokerei Kaiserstuhl II in Dortmund. Hier wurden zu dieser Zeit die Batterien A und B in Betrieb genommen. Er sammelte erste Betriebserfahrungen.

Bereits in den Jahren 1958/59 wurde ihm in der Endphase des Neubaus der Koksofenbatterien der Kokerei Fürstenhausen der Saarbergwerke AG die Bauleitung übertragen. Er war auch verantwortlich für die Inbetriebnahme der neuen Anlage und übergab diese an den Auftraggeber.

Im Jahre 1960 wurde ihm die Leitung des Bau- und Abwicklungsbüros beim Bau einer Koksofenbatterie und verschiedener Nebenanlage bei „Altos Hornos de Vizcaya“ in Bilbao in Spanien übertragen. Das war ein bedeutender Schritt für seine weitere berufliche Entwicklung. Mit der Familie zog er nach Spanien um. Er lernte die Sprache und knüpfte Freundschaften. Er verstand es sehr schnell aufgrund seines Durchsetzungsvermögens und seiner Zielstrebigkeit, diese Aufgabe zu erfüllen. Im Jahre 1963 war der Auftrag in Bilbao abgeschlossen.

Zu dieser Zeit war in Asturien, ebenfalls an der Nordküste Spaniens, die erste Stufe des großen staatlichen Hüttenwerkes, der „Empresa Nacional Siderurgica Espanola, Sociedad Anonima“, ENSIDESA, mit der von DKH geplanten und gebauten Kokerei  in Betrieb gegangen. Die 2. und 3. Ausbaustufe gingen in die Realisierungsphase; in der Kokerei waren das zu den vier Batterien der ersten Stufe noch zwei mal drei Batterien mit allen dazu gehörigen Anlagenteilen in der Kohlenwertstoff-Anlage, die Teerbehandlung, die Kohlenvorbereitung und die Koksbehandlung, so wie es Anfang der 50er Jahre für einen Gesamtzeitraum 10 bis 12 Jahren geplant worden war.

Die Firma DKH erhielt den Auftrag auch für diese beiden Erweiterungsstufen, für die insgesamt eine Bauzeit von 5 Jahren geplant war.

Nach seiner erfolgreichen Tätigkeit in Bilbao war es folgerichtig, dass die Firmenleitung in Essen ihn im Jahre 1964 in den Bauleitungsstab des Hüttenwerkes in Aviles entsandte und ihm die Leitung des Abwicklungsbüros für den Bau der beiden letzten Bauabschnitte des Neubaus der Kokerei übertrug.

Im Jahre 1964 erfolgte die Umbenennung von DKH in Didier-Werke AG Industrieanlagenbau Essen.

Nach der Abnahme der Gesamtanlage durch die ENSIDESA im Jahre 1969 gründete DKH in Aviles die kleine Tochtergesellschaft „DIMISA SA“, die in engem Kontakt mit Essen sehr erfolgreich Aufträge für kleinere Änderungen und Ergänzungen ausführte und so den lebendigen Kontakt zur Kokerei durchgehend aufrechterhielt. Die DIMISA sorgte dafür, dass sowohl Probleme als auch Betriebserfahrungen stets nach Essen übermittelt und dort ausgewertet wurden. Herrn Müller wurde die Geschäftsführung übertragen, die er bis zum Jahre 1989 inne hatte.

Im Jahre 1968 kam Herr Müller zurück nach Essen, bezog ein Büro in der Alfredstraße und übernahm neben den Aufgaben in Aviles die Leitung der Hauptabteilung „Kokerei“ und damit verantwortliche Aufgaben weltweit.

Zu der Zeit begann ein wichtiges Kapitel in der Geschichte der Firma Didier. Herr Müller war aufgrund seiner neuen Aufgabe voll mit einbezogen. Die Arbeit auf dem US-amerikanischen Markt wurde intensiviert. Sie begann mit der Gründung einer Arbeitsgemeinschaft mit Kaiser Engineers in San Francisco und der schlüsselfertigen Errichtung der neuen Kokerei bei Dofasco in Kanada. Projekte in Australien, Japan, der Türkei und in Südafrika schlossen sich an, und auch aus den USA kamen weitere Aufträge. Das Engagement in den USA wurde besonders durch die gute und intensive Zusammenarbeit mit Kaiser Engineers begünstigt.

In Deutschland zählten in der Zeit zu den wichtigen Projekten für die Kokereiabteilung der Neubau der Kokerei der Metallhüttenwerke in Lübeck, der Bau der Batterien der Zentralkokerei Saar (ZKS) in Dillingen und der Batterien der Kokerei Osterfeld in Oberhausen. Die Batterien auf Osterfeld waren die ersten in Deutschland, bei denen sowohl die Feuerfestarbeiten als auch die Eisenmontage zum Festpreis an zwei spanische Montagefirmen vergeben wurden, die alle Arbeiten nur mit spanischem Personal – vom Polier bis zum Hilfsarbeiter – ausführten. Herr Müller hatte diese Strategie eingefädelt, die Gesamtorganisation geplant und die Arbeiten aktiv über die gesamte Bauzeit bis zum erfolgreichen Ende begleitet.

In den Jahren 1981/82 übernahm er in der Endphase die Leitung der Baustellen von zwei Brikettfabriken in Südafrika und führte die Baustelle zu einem erfolgreichen Abschluss.

Während der Zeit fielen wichtige Entscheidungen zum Fortbestand der Firma Didier. Man muss sich einmal vor Augen halten, welche firmenpolitische Veränderungen es in kurzen Zeitabständen gegeben hat: Übernahme von Anteilen der Didier Engineering GmbH durch die Voestalpine AG, Übernahme der Kokereiabteilung durch die Thyssen Industrie AG und Eingliederung in die zu Thyssen gehörende OFU GmbH - die letztlich im Jahre 1992 aufgelöst wurde -, und die Übernahme von zur Kokereiabteilung zählenden Mitarbeiter von der Thyssen-Still-Otto Anlagentechnik GmbH. Der Name Didier tauchte nicht mehr auf. Als verantwortlicher Leiter der Abteilung „Kokerei“ musste Herr Müller nicht nur die Technik vertreten, sondern vor allem die personellen Veränderungen vollziehen, wobei er stets das Wohl seiner „Didier-Leute“ im Auge hatte.

Im Jahre 1993 trat Herr Müller in den Ruhestand. Es folgte ein zweijähriger Aufenthalt in Rom, in der Hoffnung, die unruhigen Zeiten des Berufslebens so langsam hinter sich zu lassen.

Aber nicht genug. Die Firma Still-Otto-Anlagentechnik GmbH hatte Mitte der 90er-Jahre in Piombino, Italien, bei der Firma LUCCHINI SIDERURGICA S.p.A. den Auftrag übernommen, drei ältere Koksofenbatterien zu reparieren mit allen Garantien eines umweltfreundlichen Betriebes. Für die Endphase mit dem Nachweis der Erfüllung aller Garantien für jede einzelne Batterie war ein Trouble-Shooter gefordert, der aufgrund seiner technischen Fähigkeiten und Erfahrungen, der Kenntnis der Sprache, vor allem aber aufgrund seiner menschlichen Kontaktfähigkeit geeignet erschien, eine solche Aufgabe zu übernehmen. Die Wahl konnte nur auf Herrn Hans-Hermann Müller fallen, der sich sofort bereit erklärte und diese Aufgabe in den Jahren 1997/98 zum Wohle des Unternehmens, aber auch zur Zufriedenheit des Auftraggebers erfüllte.

Über seine Tätigkeit als Geschäftsführer der DIMISA SA in Aviles hatte er noch persönliche Beziehungen zur Leitung der Nachfolgefirma ALVALUT. Bis zum Jahre 2006 war er Mitglied des Verwaltungsbeirats und war so noch wesentlich beteiligt an den Geschäftsverbindungen dieser Firma auch nach Deutschland und zu deutschen Kokereien. Unter seiner Beteiligung fertigte die Firma ALVALUT u.a. für die Kokerei Prosper in Bottrop die Reserve-Zugmaschine für den Löschwagen, ein wichtiges Betriebsmittel für einen sicheren Löschbetrieb bei Ausfall der Löschwinde.

 

Mit Herrn Dipl.-Ing. Hans-Hermann Müller ehrt der Verein Deutscher Kokereifachleute einen Kollegen, der sich um die Weiterentwicklung der Kokereitechnik der Firma Didier und deren Nutzung weltweit und um die Eingliederung ehemaliger Mitarbeiter in die eine noch verbliebene deutsche Kokereibaufirma verdient gemacht hat.