K o k e r  M e d a i l l e  2 0 0 3

 

Laudatio Professor Dr. - Ing. Wolfgang Hermann

 

 

Herr Professor Dr.-Ing. Wolfgang Hermann wurde am 10. Februar 1940 in Düsseldorf geboren. Am Lessing-Gymnasium in Düsseldorf legte er im Jahre 1961 sein Abitur ab. Sogleich begann er an der Technischen Hochschule in Karlsruhe mit dem Studium der Thermischen und mechanischen Verfahrenstechnik. Die Diplom-Arbeit hatte den „Stoff- und Wärmeübergang in einem Sambay-Dünnschichtverdampfer“ zum Thema. Die Diplom-Hauptprüfung legte er im Jahre 1967 ab.

 

Im Jahre 1968 trat Wolfgang Hermann in die Dienste des Eschweiler Bergwerks Vereins (EBV) ein. Die Nähe zu Aachen erlaubte es ihm, an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule noch ein wirtschaftswissenschaftliches Aufbaustudium anzuschließen.

 

Beim EBV arbeitete er als Assistent in der Abteilung Forschung und Entwicklung. Der erste Schwerpunkt seiner neuen Tätigkeit war die Planung zum Bau der sogenannten Schnellläuferbatterie IIIA der Kokerei Anna in Alsdorf, die mit 10,8 h Garungsdauer und 1500 °C mittlerer Heizzugtemperatur bei 400 mm mittlerer Kammerbreite betrieben werden sollte und dann letztlich auch betrieben worden ist. Die hierbei gemachten Erfahrungen, Kokskohlenmischungen mit einem niedrigen Gehalt an Flüchtigen Bestandteilen bei hoher Produktivität problemlos für den Mauerwerksverband zu verkoken, haben Anfang der 80er Jahre bei den besonders zunehmend schwierigeren rohstofflichen Verhältnissen des Aachener Reviers geholfen, Konzepte für den Weiterbetrieb der Bergwerke und der Kokerei zu entwickeln. Diese Konzepte ermöglichten im Betrieb der Kokerei Anna im Jahresdurchschnitt Einsatzkohlen mit nur 18 bis 18,5 % Flüchtigen Bestandteilen (i.wf) und mit negativer Dilatation in hochwertigen metallurgischen Koks verarbeiten zu können.

 

Seine erste Aufgabe im Betrieb war die Analyse einer bestehenden Rohbenzolanlage mit der Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen zur Benzol-entfernung  und -Gewinnung aus dem Kokereigas. Danach haben sich eine Reihe von anderen Problemstellungen angeschlossen, wie die Entfernung von Schwefelwasserstoff aus dem Kokereigas, die anschließende Verarbeitung zu Claus-Schwefel, die Bereitstellung einer der Lux-Masse ähnlichen Substanz für die beim EBV im Niederdruck betriebenen Turmreinigungsanlage, da die Lux-Masse Mangelware war und Entsorgungsprobleme auftraten. Auf seinem ureigenen Gebiet der thermischen Verfahrenstechnik beschäftigte er sich Anfang der 70er Jahre mit der Gewinnung von Wasserstoff aus Kokereigas als Rohstoff für die benachbarte chemische Industrie bei der DSM in den Niederlanden mit dem Ziel der Erzeugung von Ammoniak. Auch die Methanolerzeugung als Kraftbrennstoff für Otto-Motoren wurde planungstechnisch erarbeitet, sowie die Möglichkeit untersucht, Wasserstoff als Rohstoffgrundlage für die Eisenschwammerzeugung nach dem Purofer-Verfahren bei der Hüttenwerk Oberhausen AG in Oberhausen zu Verfügung zu stellen. Nur die wirtschaftlichen Verhältnisse verhinderten eine konkrete Umsetzung. In diese Zeit fiel auch die Planung und der Bau der Kokerei Sidmar der ARBED in Gent, Belgien, an der er sich beteiligen konnte.

Im Jahre 1970 wurde ihm die Leitung der Stabsabteilung Kohleumwandlung übertragen. Dazu gehörten die Kokereien, die Brikettfabriken, die Kraftwirtschaft und das Werkstattwesen. In diese Zeit fielen auch die Untersuchungen zur thermischen Vorbehandlung von hochflüchtigen Steinkohlen in Flugstromreaktoren. Weiterhin hat er die Aufstellung eines mathematisch-statischen Modells für die Heißbrikettierung vorangetrieben. Von einzigartiger, prägender Bedeutung für Wolfgang Hermann war, das Verhalten ein und desselben Rohstoffes in den verschiedenen Systemen, also bei einer Aufheizung von nur 3 grd/min bei der Kammerverkokung bzw. bei 2500 grd/s in einem Flugstromreaktor studieren zu können. Die dabei unterschiedlichen auftretenden Pyrolyse-Effekte haben ihn bis heute nachhaltig beschäftigt und ihm ein vertieftes praxisorientiertes Verständnis für das Zusammenwirken von Reaktor, Rohstoff Kohle und den jeweiligen Betriebsbedingungen geliefert. Aus der Vielzahl der Versuche mit in- und ausländischen Kohlen konnten die wesentlichen Zusammenhänge der mehrstufigen Wärmeübertragung von Gas-Feststoff sowie Feststoff-Feststoff in Verbindung mit den Bedingungen beim Brikettieren in einem mathematisch-statistischen Modell beschrieben werden.

 

In die Zeit fiel auch der Ausbau der Kokerei Erin und die Erweiterung der Kohlenwertstoffanlage der Kokerei Westfalen, vor allem die Umrüstung auf die Erzeugung von Claus-Schwefel.

 

Im Jahre 1979 wurde Wolfgang Hermann Stellvertreter des Leiters der Kokereidirektion. Neben der  Leitung der Stabsabteilung Kohleumwandlung wurde Ihm noch die Leitung der ancit-Fabrik übertragen. Im Jahre 1982 übernahm er dann die Leitung der Kokereiwirtschaft des EBV; ihm wurde gleichzeitig Handlungsvollmacht erteilt. Dazu gehörte auch die Rohstofftechnische Leitung der Kokereischeibe des EBV an der Carcoke S.A., so dass er auch mitverantwortlich war für die Kokereien Marly, Tertre und Zeebrugge. Im Jahre 1984 wurde ihm dann die Leitung der Hauptabteilung Kohleveredelung und Qualitätsstelle übertragen. Im Jahre 1985 wurde er zum Direktor der Betriebdirektion Kokereiwirtschaft bestellt mit der Verantwortung für die Kokereien, das Zentrallaboratorium und die Stabsstelle des EBV.


 

Nach dem sich anbahnenden Übergang der Geschäftstätigkeit des EBV auf die Ruhrkohle AG, Essen, wechselte er im Jahre 1987 in die dortige Hauptabteilung Kokereien/Weiterverarbeitung. Dort wurde ihm dann im Jahre 1992 die Leitung der Abteilung Strategische Planung Kokereiwirtschaft übertragen. Im Jahre 1995 folgte dann die Versetzung zur Deutsche Steinkohle AG (DSK). In der Hauptabteilung Bergbau und Energie übernahm er die Leitung Kokereiwirtschaft als stellvertretender Hauptabteilungsleiter. Im Jahre 2000 ging er nach 32 Jahren erfolgreicher Tätigkeit in Stabsstellen und in Betrieben in den Vorruhestand.

 

Neben seinen beruflichen Aufgaben widmete er sich erfolgreich als Mitglied in vielen Ausschüssen und Arbeitskreisen Gemeinschaftsaufgaben der Kokereiwirtschaft.

 

So war er zeitweise Präsident der Kokerei-Kommission der ARBED für die Kokereien Neunkirchen, Völklingen, Sidmar, Anna, Erin und Westfalen sowie für geplante  Neubauvorhaben in Brasilien und in Luxemburg.

 

Er war langjährig Exekutiv Mitglied in Brüssel bei der Europäischen Kommission in der Direktion Kohle, Stahl und Energie.

 

Er war Mitglied des Deutschen Kokereiausschusses und des Europäischen Kokereiausschusses, und dort Vorsitzender der Fachgruppe Technische Daten, Anlagenbeschreibungen

 

Innerhalb des Deutschen Kokereiausschusses war er beim Steinkohlenbergbau und bei der Bergbauforschung Mitglied und zeitweise Vorsitzender in den Unterausschüssen Thermische Kohleveredelung, Kokseigenschaften, Technische Betriebswirtschaft und Verkokungsmodell.

 

Bei der Abwicklung des Hüttenvertrages zwischen dem deutschen Steinkohlenbergbau und den deutschen Hütten war er Sprecher der Qualitätskommission Bergbau und Mitglied der Umwandlungskostenkommission.

 

Er war Vorstandsmitglied im Verein Deutscher Kokereifachleute und darüber Mitglied im Editorial Board der Zeitschrift COKEMAKING INTERNATIONAL.

 

Außerdem war er fünf Jahre lang ehrenamtlicher Richter am Landessozialgericht.


 

Von großer, um nicht zu sagen von entscheidender Bedeutung für die wissenschaftliche Karriere von Wolfgang Hermann war seine Begegnung mit seinem Lehrer, Herrn Professor Dr. Wolfgang Simonis, Ende der 60er Jahre in Essen und in Berlin. Nach der Promotion an der Technischen Universität in Berlin im Jahre 1972 über das Thema „Technisch-wirtschaftliche Optimierung der Steinkohlenverkokung“ erhielt Wolfgang Hermann vom Jahre 1974 an einen Lehrauftrag im Fachgebiet „Grundlagen der Veredelungstechnik“. In dieser Zeit versuchte er die Kohle aus der Sicht der Festkörperphysik zu beschreiben und die Kohlengenese auf der Basis der Elementaranalyse mathematisch durch Abspaltung der gasförmigen Stoffe wie CO2, H2O, CH4, NH3, H2S und N2 von der Startsubstanz Holz bis zum letzten natürlichen Inkohlungsvertreter, dem Schungit, sowie die dabei auftretenden Wärmetönungen zu erfassen. Auf der Basis einer Vielzahl von eigenen Untersuchungen (Entgasungsverläufe, infrarotspekroskopische Untersuchungen) an in- und an ausländischen Kohlen vom Holz, Torf, Braunkohle bis zu den Anthraziten und aus umfangreichen Daten aus internationalen Veröffentlichungen hat er ein mathematisch-statistisches Stoffdatencompiler-Programm aufgebaut. Dies erlaubt aus der Elementaranalyse und aus der Aschezusammensetzung mechanische (Elastizitätsmodul, Dichte), calorische, elektrische (Aktivierungsenergie), magnetische (Permeabilität), optische (Reflexion), chemische (funktionale Gruppen: Methyl, Carboxyl, Hydroxyl) und rheologische Daten (Fluidität, plastische Masse) zu berechnen. Dieses umfassende Modell nutzt Wolfgang Hermann heute, um aus den Daten über Reaktor, Rohstoff Kohle und Betriebsbedingungen Qualität und Quantität der Verkokungsprodukte bei der Hochtemperaturverkokung vorherzusagen.

 

Im Jahre 1994 wurde Wolfgang Hermann Professor in der Fakultät für Bergbau,Hüttenwesen und Geowissenschaften am Institut für Aufbereitung, Kokerei und Brikettierung der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen. Er hält seitdem abwechselnd mit Herrn Universitätsprofessor Dr.-Ing. Jürgen Heil die Vorlesungen Kokereiwesen I und II und liest unter anderem ausgewählte Kapitel aus dem Gebiet der Pelletierung und der Brikettierung sowie über den Rohstoff Kohle aus der Sicht der Festkörperphysik.