Zeitzeugen des deutschen Kokereiwesens

Die Sicherung der schriftlichen Quellen und ihre Auswertung sowie die Identifikation und Heranziehung einschlägiger Sekundärliteratur weisen die Arbeit des Historiker-Kreises als professionelle historische Tätigkeit aus. Sie schließt damit an das seit 2003 vorliegende und vom VDKF mit finanzierte aktuelle Werk zur Geschichte des Kokereiwesens an. Da dieser Darstellung eine internationale Warte zugrunde liegt, konnten eine Reihe von Themen zum deutschen Kokereiwesen zwangsläufig nicht erschöpfend behandelt werden. Hierzu zählt insbesondere eine sozial- und wirtschaftshistorisch orientierte Untersuchung der Funktionsträger des deutschen Kokereiwesens seit Mitte des 20. Jahrhunderts.

Wenn eine historisch gültige Bearbeitung dieser Frage nicht auf vorhandene schriftliche Quellen verzichten kann und wird, so lassen sich dennoch wichtige Details nicht allein aus der verschriftlichten Überlieferung rekonstruieren. Nicht umsonst greifen historische Forschungen zu Berufsgruppen und deren ökonomisch-sozialer Interaktion häufig auf professionelle Befragungen der Handlungsträger – so genannte Oral-History – zurück. Nur dadurch lassen sich für eine umfassende historische Beurteilung wichtige und die schriftlichen Quellen ergänzende Informationen gewinnen.

Der Historiker-Kreis hat deshalb als aktuellen Schwerpunkt seiner Beschäftigung das Projekt „Zeitzeugen des deutschen Kokereiwesens“ ins Leben gerufen. Dessen grundlegendes Ziel ist es, über einen längeren Zeitraum repräsentative Persönlichkeiten des deutschen Kokereiwesens mit Methoden der Oral-History zu interviewen. Die Gespräche werden dabei zunächst auf Tonband aufgezeichnet. Eine langfristige archivische Sicherung und Erschließung der Tonbänder im Bergbau-Archiv führt mittelfristig zu einer Sammlung von einzigartigen Audio-Quellen, die bislang für das Kokereiwesen an keiner Stelle vorliegen.

Ein derartiges Audio-Archiv kann zunächst als wichtige Grundlage einer zukünftigen musealen Darstellung des Kokereiwesens in der Bundesrepublik Deutschland angesehen werden. Steht dieses in den technischen Museen bislang eher im Schatten des Bergbaus und der Eisen- und Stahlindustrie, so hilft das zu erarbeitende Projekt, einer stummen Vermittlung der Branchenentwicklung allein durch Sachzeugen und Modelle entgegen zu wirken. Selbstverständlich hat jede interviewte Persönlichkeit die Möglichkeit, im Rahmen einer schriftlichen Vereinbarung detailliert die Grenzen der späteren Nutzung des betreffenden Tonbandes festzulegen.

Im Zentrum des Interesses der Interviews steht die subjektive Erinnerung der Befragten. Um aber zugleich eine Vergleichbarkeit der Interviews im Sinne einer anschließenden Analyse zu gewährleisten, liegt ihnen eine stringente Gesprächsführung zugrunde. Diese bedingt ein quellenkritisch geschultes und selbstreflexives Vorverständnis der Fragesteller für die Branchenentwicklung. Insofern steht bei allen Interviews ein strukturierter Nachvollzug der Biographie des Befragten im Mittelpunkt. Im Vergleich werden so typische Ausbildungswege und Zugangsvoraussetzungen für den Berufseinstieg ebenso nachvollziehbar wie spezifische Karrieremuster und typische berufliche Aufgabenfelder.

Die über Jahrzehnte in Deutschland anhaltende Reduktion der Kokereikapazitäten hat zu einer personellen Verringerung der Berufsgruppe geführt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt stehen jedoch eine Vielzahl von wichtigen ehemaligen und noch tätigen Funktions- und Entscheidungsträgern für mögliche Befragungen zur Verfügung. Ihre Erinnerungen im Rahmen des Projekts „Zeitzeugen des deutschen Kokereiwesens“ für zukünftige Generationen zu sichern und damit einen Beitrag für das historische Erbe der Branche zu leisten, bedingt allerdings ein schnelles Handeln.

Der Historiker-Kreis hat deshalb eine Liste möglicher Gesprächspartner erarbeitet, die einen repräsentativen Querschnitt der Berufsgruppe wiedergeben soll. Die Bandbreite reicht dabei von Vertretern der Kokerei-Betreiber über leitende Mitarbeiter des Kokerei-Anlagenbaus bis hin zu wichtigen Persönlichkeiten aus dem Bereich der kokereitechnischen Forschung und Lehre. In einem weiteren Schritt ist auch die Berücksichtigung der eigentlichen Kokereiarbeiter vorgesehen.

Eine wissenschaftlich sachgerechte und professionelle Durchführung eines Oral-History-Projekts mit gekennzeichnetem Anspruch bedingt neben der Führung und Tonbandaufzeichnung der Gespräche auch eine nachträgliche Verschriftlichung der einzelnen Interviews. Erst dadurch werden die Gesprächsergebnisse für eine weitere analytische Auswertung im Rahmen der historischen Forschung zugänglich gemacht. Das innerhalb des VDKF-Historiker-Kreises durchgeführte Projekt „Zeitzeugen des deutschen Kokereiwesens“ bedient sich zur Führung und Aufzeichnung der Gespräche der personellen und sachlichen Ausstattung des Bergbau-Archivs beim DBM. Eine Transkription der Interviews soll durch eine versierte Schreibkraft mit finanzieller Unterstützung des VDKF erfolgen, der durch die Bereitstellung der Finanzmittel die Wichtigkeit des Projekts „Zeitzeugen des deutschen Kokereiwesens“ unterstreicht.